Die Teilnehmer der Lieferkette sind rechtlichen, ökologischen, politischen und sozialen Faktoren ausgesetzt. Die Analyseabteilung von AsstrA teilt, welche Faktoren die Logistik im 2. Halbjahr 2022 entscheidend beeinflusst haben.
Transporttarife
Der logistische Höhepunkt fällt traditionell auf das vierte Quartal. In diesem Zeitraum steigen sowohl die Anzahl der Transportaufträge als auch die Preise für deren Umsetzung. Im Jahr 2022 haben schwindelerregende Preiserhöhungen für Kraftstoff, ein Mangel an Fahrern und eine umfassende vollmaßtäbliche Invasion in die Ukraine zusätzlich die Steigung der Tarifentgelte beeinflusst. Während der Hochsaison vor den Feiertagen nimmt auch die Zugänglichkeit von Transportdienstleistungen ab. Im Jahr 2022 verzeichnete TIMOCOM einen gegenläufigen Trend – die Erhöhung der Produktionskapazitäten und Beseitigung von Engpässen durch die Reduzierung der Produktionsmengen in Europa.
Im zweiten Quartal 2022 stiegen die durchschnittlichen Frachtsätze im Vergleich zum ersten um mehr als 45 % und blieben im dritten Quartal auf dem gleichen Niveau. Im vierten Quartal gab es wie prognostiziert ein Plus von 3 % gegenüber dem zweiten Quartal.
Im dritten Quartal 2022 erreichten die Vertragssätze 129,7 Indexpunkte, ein Plus von 5,4 Punkten im Quartalsvergleich, ein Plus von 19,6 Punkten im Jahresvergleich. Die Spotsätze standen bei 142,6 Punkten, ein Plus von 6,0 Punkten im Quartalsvergleich und 26,4 Punkten im Jahresvergleich.
Die Abschwächung von Handel und Produktion Anfang 2023 könnte zu einer leichten Senkung der Transporttarife führen. Der Rückgang kann jedoch die Änderung der Kraftstoffpreise aufgrund der Verlängerung des EU-Embargos für die Einfuhr von Mineralölprodukten aus Russland stoppen. Das Verbot tritt am 5. Februar 2023 in Kraft. Es ist auch schwierig vorherzusagen, wie stark die Inflationsrate schließlich steigen wird.
Wirtschaftlicher Abschwung in Europa
Im September erlebte der Produktionssektor einen wirtschaftlichen Abschwung mit einer weiteren Nachfragesenkung und eine Stärkung des Preisdrucks. Im selben Monat fiel der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Produktion in der Eurozone von 49,6 im August auf 48,4, laut dem S&P Global Eurozone Manufacturing PMI, was von einer Produktionsrückgang in der Eurozone zeugt.
Am Ende des dritten Quartals wurde in zwei größten Volkswirtschaften der EU, Frankreichs und Deutschlands ein starker Rückgang der Produktionskapazitäten verzeichnet. Ihre PMIs sind auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Covid-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020.
Auch im September ging die Zahl der neuen Aufträge zurück. Die Schwierigkeiten in der Lieferkette haben Produktionsprozesse gestört und der Umfang der nicht ausgeführten Arbeiten ist aufgrund der geringeren weltweiten Nachfrage zurückgegangen. Die hohen Energiekosten verursachten nur zeitweise Stillstandszeiten im Produktionssektor.
Im November stieg der PMI von 47,3 im Oktober auf 47,8, dem niedrigsten Stand seit 23 Monaten. Der fünfte monatliche Rückgang in der Produktion erhöht laut PMI die Wahrscheinlichkeit, dass die Eurozone in eine Rezession stürzt. Zudem verschärft die Energiekrise in Europa, die vor allem im Produktionssektor zu spüren bekommt, den wirtschaftlichen Abschwung.
Im vierten Quartal wirkte sich der Anstieg der Energiepreise auf die Kostenbelastung der Unternehmen aus. Europäische Unternehmen haben die Produktion reduziert oder ganz eingestellt, etwa in der Glasindustrie in Frankreich, der Stahlindustrie in Spanien und der Düngemittelbranche in Polen. Die Gefahr der Insolvenz von Unternehmen wächst.
Laut Dienstleistungshandelsbarometer der Welthandelsorganisation (WTO) vom 22. Dezember 2022 ging der Dienstleistungshandel im vierten Quartal zurück und dürfte Anfang 2023 schwach bleiben. Der Barometer-Index im Oktober fiel auf 98,3, leicht unter die Basislinie von 100 und deutlich unter die vorherigen 105,5 der letzten Veröffentlichung im Juni. Finanzdienstleistungen (107,8) waren am widerstandsfähigsten gegenüber der Verlangsamung der Weltwirtschaft. Über dem Abwärtstrend lagen Indikatoren für den Personenluftverkehr (105,2) und Informations- und Kommunikationsdienste (103,2). Den stärksten Rückgang verzeichneten die Komponenten Baudienstleistungsindex (92,9), Containertransport (92,8) und PMI (91,1).
Rückgang des Handelsumsatzes zwischen den EU-Ländern, der Ukraine und der GUS
Im dritten Quartal 2022 war der Straßengüterverkehr aus der Europäischen Union in die GUS um 1 % niedriger als im zweiten Quartal und um 16 % niedriger als im Jahr 2021. Die Warenausfuhren aus der EU nach Russland gingen gegenüber dem Vorquartal um 26 % zurück. Weißrussland stieg im Gegenzug um 3 % gegenüber dem Vorquartal, die Ukraine um 21 %. Die Warenströme aus Europa nach Kasachstan gingen um 8 % zurück, nach Usbekistan um 4 %.
Die Warenimporte aus den GUS-Staaten nach Europa gingen um 1 % im Quartalsvergleich und 38 % im Jahresvergleich zurück. Die Importe aus Russland gingen um 65 % im Quartalsvergleich, aus Weißrussland um 71 % im Quartalsvergleich und aus der Ukraine um 26 % im Quartalsvergleich zurück. Die Importe aus Kasachstan gingen um 63 % im Quartalsvergleich zurück, während die Importe aus Usbekistan um 31 % im Quartalsvergleich zunahmen.
Der verringerte Handel zwischen der EU und Russland und Weißrussland setzt die Verkehrsleistungen auf diesen Strecken frei, die nach Usbekistan, Kasachstan und in die Ukraine umverteilt werden können.
Die Inflation ist immer noch hoch
Die anhaltend hohe Inflation drückt auf die Transportkosten. Im November 2022 betrug die jährliche Inflationsrate der Eurozone 10,1 %, im Vergleich zum Oktober mit 10,6 %. Ein Jahr zuvor waren es noch 4,9 % gewesen. Die Inflation hat sich in den letzten Monaten des Jahres 2022 leicht verlangsamt, bleibt aber auf dem höchsten Stand seit 10 Jahren.
Die höchsten Jahresraten wurden in Ungarn (23,1 %), Lettland (21,7 %), Estland und Litauen (jeweils 21,4 %), der Tschechischen Republik (17,2 %) und Polen (16,1 %) registriert.
Die Hauptkomponenten der Inflation in der Eurozone im November sind Energie (+34,9 % im Vergleich zum Oktober mit +41,5 %), Lebensmittel, Alkohol und Tabak (+13,6 % im Vergleich zum Oktober mit +13,1) sowie nicht energetische Industriewaren (+6,1 %, wie im Vormonat) und Dienstleistungen (+4,2 %, mit +4,3 % im Oktober).
Dieselpreise
Laut CNR (France Comittee National Router) lag der durchschnittliche Dieselpreis in Europa im vierten Quartal 2022 bei 1,94 Euro pro Liter. Die Preise blieben im Vergleich zum dritten Quartal 2022 auf dem gleichen Niveau, stiegen jedoch um 60 % im Vergleich zum vierten Quartal 2021.
Am 3. Dezember legte der EU-Rat den Höchstpreis für russisches Öl auf 60 Dollar pro Barrel fest. Die Beschränkung trat am 5. Dezember gleichzeitig mit dem Embargo für russische Öllieferungen in die EU-Staaten in Kraft.
Der Deckelpreis-Mechanismus wird ab Mitte Januar 2023 alle zwei Monate neu überprüft. Die Beschränkung wird mindestens 5 % unter dem durchschnittlichen Marktpreis für russisches Öl und Ölprodukte festgelegt. Ein ähnliches Verbot wird von den G7-Staaten (Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, Frankreich, Japan und USA) und Australien eingeführt.
Die aktuelle Situation auf dem Ölmarkt wird voraussichtlich ab dem zweiten Quartal 2023 zu einem Anstieg der Kraftstoffpreise führen. Die Erhöhung kann jedoch früher erfolgen, bereits im ersten Quartal 2023, was zu einer Erhöhung der Transportkosten führen wird.
Verringerte Attraktivität des Fahrerberufs
Die Internationale Straßentransport-Union (IRU) hat einen globalen Fahrermangelbericht veröffentlicht.
Der Mangel an Lkw- und Busfahrern in Europa ist außer Kontrolle geraten. Die Nachfrage nach Transporten wächst und junge Menschen finden diesen Beruf nicht attraktiv. Es wird erwartet, dass bis 2026 die Zahl der offenen Stellen für Lkw-Fahrer auf über 60 % steigen wird, was auf die Schwierigkeit zurückzuführen ist, Spediteure für Logistikunternehmen zu finden.
Autor: Kamila Rynkiewicz.