Hat das Reich der Mitte, Autor des Programms „One Belt, One Way”, vor kurzem eine Revolution im weltweiten Güterhandel gestartet? Ist die Neue Seidenstraße ein Grund zur Sorge? Oder vielleicht eine Lebenschance für globale Logistikbetreiber?
Im Herbst 2013 beschlossen die chinesischen Behörden, die Seidenstraße zu erneuern. Das Konzept der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wurde als Neue Seidenstraße bezeichnet. Bald wurde der Name in „One Belt, One Way“ geändert. Und all das, um die Globalisierung der Wirtschaft durch die Entwicklung und Verbesserung der Land- und Seetransportinfrastruktur zu entfalten.
Konzepte im Zusammenhang mit dem Landverkehr betrafen hauptsächlich die Einführung von Containerzügen nach Europa. Bis vor kurzem entschieden sich die Spediteure in 90 % der Fälle für den Seetransport und betrachteten diesen als die kostengünstigste Lösung. Derzeit ist die Bahn führend. Der Leiter der Chinesischen Abteilung der AsstrA-Associated Traffic AG, Dmitri Pokhodenko, erklärt, was zum Anstieg der Eisenbahntransporte beigetragen hat.
„Erwähnenswert ist, dass die Entwicklung der Landwege an der Seidenstraße eine Initiative der chinesischen Staatsbehörden ist, was im Hinblick auf das System der chinesischen Planwirtschaft von besonderer Bedeutung ist. Die Zunahme des Schienenverkehrs von China nach Europa hängt auch mit Subventionen für Eisenbahnunternehmen zusammen, die in europäischen Destinationen tätig sind. China investiert auch in die Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur von Ländern, durch die die Neue Seidenstraße verläuft, zum Beispiel in Usbekistan oder Russland. Laut dem Staatsrat der Volksrepublik China werden bis 2020 jährlich mehr als 5.000 Züge zwischen China und Europa unterwegs sein. Immer mehr Bahnhöfe fertigen Züge nach Europa und in die GUS-Staaten ab. Bislang wurden bereits regelmäßige Verbindungen mit mehr als 35 Städten in 12 Ländern hergestellt”.
Der Schienenverkehr auf dem One Belt ist jedoch nicht nur auf den Containerverkehr beschränkt, sondern schließt auch den Transport mit Schnellzügen ein.
„Die Lieferzeit mit dem Zug vom Bahnhof zum Bahnhof beträgt 12-16 Tage. Wichtig ist, dass der Schnellzug in den territorialen Teil des Landes gelangt, so dass man keine Zeit für das Handling der Güter im Hafen verschwendet. Es ist allerdings zu bedenken, dass sich alle Bahnhöfe in China, von denen Schnellzüge abfahren, nicht nur im Hinblick auf den Fahrplan, sondern auch auf die Kosten unterscheiden. Dies spiegelt genau den "chinesischen Charakter" des Geschäfts wider: Es gibt keinen Einheitspreis” – stellt der Experte von AsstrA fest.
Der Leiter der Chinesischen Abteilung bei AsstrA betont auch, dass Schnellzüge keine Lösung für alle seien. Diese Dienstleistung ist teurer als der Seetransport, aber billiger als Lufttransporte - ideal für Kunden, die sich keine Ausfallzeiten oder lange Lieferzeiten leisten können.
In letzter Zeit agiert China kontinuierlich als logistischer Vorreiter. Die Schaffung einer neuen LKW-Route von China nach Russland wurde ebenfalls global wahrgenommen. Dieser Schritt geht mit der Umsetzung der lang geplanten Entscheidung Chinas, das TIR-Übereinkommen zu ratifizieren und der IRU-Organisation beizutreten, einher.
„Der Beitritt der Volksrepublik China zum TIR-Übereinkommen gab ausländischen Transportunternehmen die Möglichkeit, Waren innerhalb Chinas zu liefern und die Möglichkeit eines Transits zu erhalten. Bisher wurden die Waren in die Grenzlager geliefert und anschließend von chinesischen Spediteuren weiter transportiert. Dadurch haben chinesische Transportunternehmen auch Zugang zu ausländischen Märkten erhalten - erklärt Andrzej Iwanow-Kołakowski, Regionaldirektor von AssstrA für die EU-Region. Das Hauptziel dieser Route ist die Optimierung der Liefermöglichkeiten von und nach China. Der neue Korridor ermöglicht es, die Transportzeit zu verkürzen, Kosten zu sparen und den Tür-zur-Tür-Lieferdienst auf der Straße zu entwickeln. Darüber hinaus ist der neueste Korridor auch ein Schritt nach vorne bei der Entwicklung der Neuen Seidenstraße”.
Das Projekt „One Belt, One Road“, das vom Reich der Mitte initiiert wurde, hat einen positiven Einfluss auf die Attraktivität des chinesischen Exportangebots und macht es dadurch noch billiger und vertieft (das ohnehin sichtbare) Ungleichgewicht im weltweiten Güterhandel. Bedeutet dies, dass das Schicksal der globalen Logistikbranche in den Händen Chinas liegt?